fbpx
Zum Inhalt springen
Home » Prinzipien für eine lebenswerte Zukunft

Prinzipien für eine lebenswerte Zukunft

  • von

Prinzipien für eine lebenswerte Zukunft

Im Jahr 2021 ist die Welt sehr unübersichtlich. Es überwiegt bei vielen von uns das Gefühl, dass sich grundlegend etwas verändern müsste und zwar an allen Ecken und Enden. Dafür, wie diese Veränderung aussehen soll, gibt es viele Ideen, Konzepte und Theorien. Vom Technologie-Optimismus und Liberalismus über konsumkritische Ansätze über den “back-to-nature” Reflex bis hin zum Kommunismus und Anarchismus — es gibt viele Gedankengerüste darüber, was der richtige Weg zu einem lebenswerten Leben für alle ist. 
So wertvoll diese Konzepte und Theorien auch sind, so unübersichtlich ist die Ideenlandschaft auch. Außerdem verbirgt sich in ihrer Heterogenität hinter jeder Ecke eine “Diskutieren zum Selbstzweck-Falle”: das Diskutieren über den besten Ansatz wird nicht mehr betrieben, um sich auf das Beste Vorgehen zu einigen, sondern als eigene Disziplin, um sich und die eigene Identität zu wahren und am Ende des Tages als Gewinner*in dazustehen.

Die Orientierung, die diese Ideen und Konzepte dem eigenen Handeln verleihen, ist jedoch essentiell. Diese Funktion, kann jedoch auch anders erfüllt werden: durch Prinzipien.

Du fragst dich, was Flamingos mit Prinzipien für eine lebenswerte Zukunft zu tun haben? Ich mich auch… ©Jonas Gröner

Was sind Prinzipien?

“Prinzip” (von lat. principium = Ursprung, Grundsatz, Beginn) meint eine grundlegende Gesetzmäßigkeit, auf die die konkrete Ausformung eines Systems folgt. Um die Sache ein bisschen greifbarer zu machen, will ich versuchen im Folgenden die Prinzipien zu skizzieren, auf denen die Welt von heute mit vielen ihrer Probleme gebaut ist.

Die Prinzipien, auf denen die Welt von heute gebaut ist

Getrennt sein/Individualismus:

Eine grundlegende Charakteristik der gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse ist, dass wir alle getrennt existieren. Getrennt voneinander, getrennt von unserer Umwelt und der Natur. Getrennt bedeutet unabhängig. Wir sind nicht angewiesen auf die Menschen um uns herum oder eine intakte Biosphäre. Schließlich haben wir ja alle einen eigenen Körper, wie könnten wir da nur miteinander in Verbindung stehen? Gleichzeitig sind wir aber auch mit unseren Problemen allein, sehen nicht, dass viele auf die gleiche Art unter dem Druck leiden, der vom Arbeitsmarkt, überzeichneten Schönheitsidealen, Ansprüchen an Geschlechterrollen und durch Medien und Werbung geprägte Vorstellungen von Erfolg ausgeht.

Wettbewerb/Zero Sum:

Das Prinzip des Wettbewerbs geht davon aus, dass es bei einer Interaktion mehrerer Parteien, immer Gewinnende und Verlierende gibt und dass die Summe aus dem Gewinn und dem Verlust immer Null ergibt. Wenn wir dieses Prinzip als wahr annehmen, hat das zur Folge, dass wir auf unseren eigenen Gewinn bedacht sind, bevor wir an das Wohl anderer denken. Schließlich gibt es ja nur eine bestimmte Menge an Gewinn. Daraus wiederum folgt extrem kompetitives und manipulatives Verhalten zum eigenen Vorteil — sei es in der Wirtschaft, in persönlichen Beziehungen, im Arbeitsalltag.

Knappheit:

Dem Wettbewerbsprinzip liegt die Annahme der Knappheit zugrunde. Schließlich macht es ja keinen Sinn, um etwas in Wettbewerb zu treten, von dem es sowieso genug für alle gibt. Dieses Prinzip besagt: “Es gibt nicht genug für alle. Nicht genügend Land, Wasser, Nahrung, Dächer, Liebe, Sicherheit, Sorglosigkeit.” Ob dem so ist, werden wir später noch sehen.

Top-Down Organisation:

Um unter der Annahme der Knappheit und des Wettbewerbs trotzdem eine globale Gesellschaft am Laufen zu halten, braucht es ein gewisses Level an Koordination. Die Organisationsform, die aus Wettbewerb und Knappheit hervorgeht, ist eine stark hierarchische. Schließlich macht es unter der Annahme der Knappheit Sinn, dass es nicht genügend Macht für alle gibt, sprich, dass manche Menschen Macht haben können aber nicht alle. Die Konsequenz ist ein Organisationssystem, in dem Menschen pyramidenförmig von oben nach unten, immer weniger Macht haben.

Schulden-Machen:

Sei es in der Geldwirtschaft oder in der Betrachtung unseres Energie-Haushalts: unsere Gesellschaft funktioniert nur, weil wir Schulden machen. Das Wachstum der Weltwirtschaft basiert darauf, dass Staaten Schulden bei sich selbst machen, in dem sie mehr Geld drucken. Auf die gleiche Weise ist dieses Wachstum durch ein energetisches Schulden-Machen in der realen Produktion repräsentiert: Das Energiebudget, das wir jeden Tag zur Verfügung haben, ist durch die Menge an Energie, die durch die Sonnenstrahlen jeden Tag auf der Erde ankommt, sehr klar definiert. Momentan nutzen wir davon jedoch nur einen Bruchteil und decken unseren Energiebedarf hauptsächlich aus fossilen Energiträgern. In denen ist Energie gespeichert, die vor Jahr Millionen als Sonnenenergie auf der Erde ankam. Wir leihen uns also Energie von der Vergangenheit anstatt die Energie voll zu nutzen, die jeden Tag aufs Neue zu uns kommt.

Beschleunigung/Wachstum:

Um dem Prinzip des Wettbewerbs gerecht zu werden und konstant zu gewinnen, müssen die Gewinnenden immer weiter wachsen um auch in Zukunft noch zu gewinnen. Sie müssen schneller sein als ihre Gegner, um besser zu sein im Produzieren und Verwerten. Dieses Prinzip funktioniert nur, unter der Annahme, dass wir unbegrenzt weiter Schulden machen können, sowohl finanziell, als auch energetisch.

Das liest sich jetzt alles eher einengend und beängstigend. Geht mir zumindest so. Bevor wir zum optimistischen Ausblick in die Zukunft kommen, möchte ich dich einladen, dir zu jedem Prinzip zu überlegen, wie es sich in deinem Leben widerspiegelt. Außerdem möchte ich dich einladen, mir zu schreiben, wenn ich etwas vergessen habe! (Kontakt am Ende des Artikels)

Prinzipien für die Zukunft:

Nun möchte ich einige Alternativen zu den aktuell vorherschenden Prinzipien vorschlagen. Betrachte sie, als Angebot für einen alternativen Kompass, um durch die Welt zu navigieren. Als Vorschlag für einen Maßstab für zukunftsgerechtes Handeln. Diese Sammlung an Prinzipien ist kein ausformuliertes Konzept für die Organisation einer nachhaltigen Gesellschaft, sondern mein “best guess” darüber, wonach wir Ausschau halten sollten, wenn wir uns der Veränderungsarbeit widmen.

Verbundenheit:

Wir alle stehen miteinander in Verbindung. Mit den Menschen, die mir am nächsten sind verbindet mich am meisten. Doch auch der wohnungslose Mensch vor dem Supermarkt ist mit mir verbunden. Wir sind miteinander verbunden, durch die gesellschaftlichen Verhältnisse, die unser beider Positionen in der Gesellschaft hervorgebracht haben: seine Position mit sehr wenig materiellen Ressourcen und Sicherheit; meine mit ausreichend Ressourcen und Sicherheit um solche Artikel zu schreiben. Was viele Menschen, die jeden Tag an diesem Menschen vorbeigehen, sich jedoch nicht eingestehen ist, dass sie auch unter diesen Verhältnissen leiden, dass es ihnen auch besser gehen würde, wenn sie sich von dem Paket an Idealen und Vorstellungen von einem guten Leben befreien könnten, das gratis dabei ist bei der Geburtsurkunde. Denn dann müssten sie sich auf einmal für diesen Menschen interessieren, erkennen, dass seine Probleme auch ihre sind und, dass ihr Haben für sein Nicht-Haben zumindest mitverantwortlich ist. Indem sie sich als getrennt von ihm sehen, ist es einfacher vorbeizugehen, kurz Mitleid zu haben und sich dann wieder um den eigenen Kram zu kümmern.
Darüber hinaus, sind wir alle zwangsläufig durch die Ökosysteme verbunden, die unser Überleben auf diesem Planeten ermöglichen. Wir atmen die selbe Luft, nehmen Nahrung zu uns, die auf dem selben Boden gewachsen ist und setzen all das mit dem selben Mechanismus — der industriellen Landwirtschaft — gemeinsam auf’s Spiel.

Mitgefühl*:

Wenn wir beginnen unsere grundlegende Verbundenheit zu begreifen, erlangen wir die Fähigkeit, Mitgefühl mit anderen zu haben. Wir beginnen zu begreifen, dass in uns allen die Held*in unserer eigenen Geschichte steckt, dass wir alle Träume haben und etwas verändern wollen. Mitgefühl — im Gegensatz zu Mitleid — ist die Fähigkeit, einem anderen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und ihn in seiner Gänze zu sehen. Einerseits, seine Erfolge zu sehen, seine “positiven” Eigenschaften. Andererseits sein Potential zu wachsen und alte Muster loszulassen. Und dabei nie zu vergessen, dass alle Zweifel und Sorgen und verqueren Umwege, auf denen wir uns manchmal bewegen, zwar dazu gehören, aber nicht das sind, was uns ausmacht. Sie sind wie dünne Wolken, die vor der Sonne vorüberziehen.

Kooperation:

Wenn wir von Verbundenheit, anstatt Getrenntsein als grundlegendem Prinzip ausgehen, ist die logische nächste Frage: Wie können wir uns gegenseitig darin unterstützen, etwas zum großen Ganzen beizutragen? Wenn wir doch alle auf die gleichen Ressourcen angewiesen sind, wie können wir sie dann am Besten teilen? Wenn ich durch schmerzhafte Fehler zu einer Erkenntnis gekommen bin, wie kann ich dann dafür sorgen, dass andere es leichter haben?

Fülle:

Im Gegensatz zur Knappheit schlage ich vor, davon auszugehen, dass es grundsätzlich genug für alle gibt. Genug Energie und somit Nahrung, genügend Land, Wasser, Zuneigung und Sorglosigkeit. Und tatsächlich: die Sonne liefert jeden Tag viele Tausende Male so viel Energie zur Erdoberfläche, wie wir eigentlich bräuchten (danke Wikipedia). Das bedeutet natürlich nicht, dass wir all diese Energie in Strom umwandeln können, aber darum geht es ja auch nicht. Pflanzen sind zum Beispiel sehr sehr gut darin, aus elektromagnetischer Energie, wie sie in der Sonnenstrahlung vorliegt, Kohlenhydrate und Proteine herzustellen, also Energieformen, die für Menschen nützlich sind. Auch an Süßwasser und Land haben wir grundsätzlich keine Knappheit. Das bedeutet, wir haben es mit einer Frage des Managements und der Verteilung von Ressourcen zu tun.

Selbst-Organisation:

Momentan erfüllt der Wettbewerb unter der Annahme von Knappheit die Funktion der Verteilung von Ressourcen. Wenn wir jedoch von Fülle ausgehen und wir außerdem bereit sind zu kooperieren, entsteht wie aus dem Nichts, eine andere Möglichkeit: die Selbst-Organisation. Lösungen entstehen unter den richtigen Bedingungen (über diese Bedingungen habe ich hier schon mal einen Artikel geschrieben), dort wo sie gebraucht werden, aus der Interaktion der beteiligten Akteur*innen. Dieses Prinzip scheint eine grundlegende Eigenschaft unserer Realität zu sein, es scheint mir daher sehr kontra-intuitiv, in unserer von Menschen gemachten Welt auf einmal auf eine pyramidenförmige Organisation zu setzen, anstatt auf eine netzwerkartige.

Ich habe das Gefühl, dass diese Prinzipien, wenn wir sie konsequent in unserem Tun reflektieren, einen Weg in eine lebenswerte Zukunft für alle weisen könnten. Wie siehst du das? Bist du anderer Meinung, oder habe ich etwas übersehen? Schreib mir doch eine E-Mail oder trete auf Social Media in Kontakt (siehe unten).

__

Wenn dir dieser Artikel gefallen hat, du darüber diskutieren möchtest, die Sache ganz anders siehst oder du den Gedanken weiterspinnen möchtest, melde dich doch bei mir. Per Mail, Linked-In oder Twitter. Ich freue mich auf deine Nachricht!

*Dieser Absatz ist stark von Maria Nemeth und ihrem ontologischen Coaching Modell beeinflusst.

de_DEGerman